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Akzeptanz: Nicht jeder liebt die KI

Veröffentlicht von Nils Güntner auf 24. September 2019 12:55:29 MESZ
Nils Güntner

Design ohne Titel

Dass sich Künstliche Intelligenz durchsetzen wird, steht für enthusiastische Experten längst außer Frage. Setzt man die KI-Brille jedoch ab und wechselt in die Sicht von Kunden und Mitarbeitern, offenbaren sich Stolpersteine abseits der reinen Technologie: 3 Probleme sind es, die eine flächendeckende Akzeptanz Künstlicher Intelligenz noch verhindern.

Inhaltsverzeichnis

  1. Was ist Künstliche Intelligenz eigentlich?
  2. Was kann Künstliche Intelligenz heute?
  3. Vorsichtig positiv: Die Einstellung von Mitarbeitern zu KI
  4. Noch skeptisch: Die Einstellung von Kunden zu KI
  5. Die 3 großen KI-Probleme – und potenzielle Lösungen
  6. Fazit: Wie man die Akzeptanz von KI erhöht

Eine der grundlegendsten menschlichen Eigenschaften ist die Skepsis gegenüber Neuem und Unbekanntem. Im Falle von Künstlicher Intelligenz (im Folgenden auch: KI/AI) scheint diese sogar doppelt begründet: Auf der einen Seite ist schon der Begriff KI an sich umgeben von einer dunklen Wolke aus Unsicherheit und fehlendem Wissen: Wo fängt Künstliche Intelligenz an? Nutze ich unwissentlich bereits Anwendungen, die auf KI basieren? Wo beeinflusst KI mein tägliches Leben? Auf der anderen Seite steht die nahezu unabsehbare Entwicklung der Technologie – inklusive Horrorszenarien à la Maschinen übernehmen die Macht. Doch auch schon weniger abstrakte Ängste hindern Menschen daran, KI einzusetzen und als Hilfsmittel zu akzeptieren: Macht KI mich in meinem Job überflüssig? Wie kommt der Algorithmus zu genau diesem Ergebnis? Werde ich unbewusst durch KI beeinflusst?

Von Anfang an wird klar: Allgemeine Akzeptanz für eine so mächtige, disruptive Technologie schafft man nicht über Nacht. Nicht nur im Kundenservice sollte man sich also spätestens jetzt Gedanken machen, wie man den Einsatz von KI gestaltet, begleitet und an Kunden sowie Mitarbeiter heranträgt. Um das Thema KI greifbarer zu machen, steht zuallererst die Beantwortung zweier Fragen: Was ist Künstliche Intelligenz – und was kann sie?

1. Was ist Künstliche Intelligenz eigentlich?

Schach_KI

 

Ein Blick auf die Geschichte der Künstlichen Intelligenz zeigt: Unter dem Radar wurde schon seit den 1950ern an der Technologie geforscht. Doch erst mit dem Sieg des Schachcomputers Deep Blue gegen den damaligen Weltmeister Garri Kasparov im Jahr 1997 begann der Aufstieg der Künstlichen Intelligenz zu dem Hype-Thema, das es heute ist.

Vereinfacht gesagt ist Künstliche Intelligenz nichts anderes als die Fähigkeit von Maschinen zu verstehen, zu denken, zu planen und zu erkennen – analog zur Intelligenz des Menschen. Eine solche technische Nachbildung von Intelligenz hat auf dem Papier jedoch nahezu unendliche Möglichkeiten: KI-Anwendungen sind nämlich im Gegensatz zur menschlichen Intelligenz nicht auf die Leistungsfähigkeit und den Speicherplatz des Gehirns beschränkt. Vielmehr erlauben es die heutige Rechenleistung und der Zugang zu Daten aller Art, dass Künstliche Intelligenz in Echtzeit komplexe und riesige Datenmengen auswertet, Muster erkennt und daraus Rückschlüsse zieht. Je nachdem, wie der zugrundeliegende Algorithmus programmiert wurde, kann KI zudem auf einem dynamischen Weg zur Lösung kommen oder auch eigenständig dazulernen. Die wichtigsten Begriffe zur Technologie sind hier noch einmal aufgelistet und erklärt:

  • Algorithmus: Beschreibt eine Folge von Anweisungen, mit denen ein bestimmtes Problem gelöst werden kann. Sozusagen eine Anleitung, nach der eine Aufgabe Schritt für Schritt gelöst werden kann.
  • Big Data: Riesige Menge an strukturierten und unstrukturierten Daten, die mit manuellen oder herkömmlichen Methoden der Datenverarbeitung unmöglich auszuwerten wären.
  • Machine Learning: Oberbegriff für die „künstliche“ Generierung von Wissen aus Erfahrung. Eine KI erkennt in einer Lernphase zuerst Muster und Gesetzmäßigkeiten in Trainingsdaten. Im Anschluss kann die KI diese Beispiele verallgemeinern und somit auch unbekannte Daten beurteilen und auswerten.
  • (Künstliche) Neuronale Netze: Dem menschlichen Gehirn nachempfundene, künstliche Struktur von Verbindungen. Es besteht aus vielen Schichten, in denen Datenverarbeitung stattfindet.
  • Deep Learning: Teilgebiet des Machine Learnings, das die verschiedenen Schichten eines Neuronalen Netzes nutzt. Eine komplizierte Datenverarbeitung wird hierbei in eine Reihe von verschachtelten, einfachen Zuordnungen verteilt.
  • Schwache KI: Ziel der schwachen KI ist es, intelligentes Verhalten mit Mitteln der Mathematik und der Informatik zu simulieren.
  • Starke KI: Ziel der starken KI ist es darüber hinaus, der KI ein Bewusstsein oder ein tieferes Verständnis von Intelligenz zu geben.

2. Was kann Künstliche Intelligenz heute?

Trotz der scheinbar unendlichen Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz beginge man laut Professor Kristian Kersting (Leiter des Bereichs für ML an der TU Darmstadt) einen großen Fehler, KI mit der menschlichen Intelligenz gleichzusetzen: „Das wird noch ein paar Jahre, wenn nicht Jahrzehnte oder vielleicht Jahrhunderte dauern.“ Stand jetzt könne man eher von “Inselbegabungen“ der KI sprechen – also von der Fähigkeit, lediglich klar definierte Anforderungen schnell und effizient umzusetzen (s.o. Schwache KI). Beispiele aus dem Kundenservice gibt es hier bereits zuhauf:

Vierteilige_Grafik_KI

 

Das Potenzial von KI wird erkannt - dies zeigen nicht zuletzt Investitionen der Bundesregierung oder anderer Länder. Weil jedoch nicht klar ist, wohin die Reise geht, wird das Thema in der Bevölkerung gespalten aufgenommen: Neben Euphorie über die neuen Möglichkeiten herrscht vielerorts vor allem Angst und Verunsicherung. Studien prognostizieren bis zu 4 Millionen neue Jobs durch KI, während gleichzeitig jeder Fünfte Gefahr läuft, seinen bisherigen Arbeitsplatz zu verlieren. Und auch außerhalb der Wirtschaft gibt es Bedenken: Wenn durch KI beispielsweise Autos autonom fahren oder Bewerber ausgewählt werden, muss sie auch in ethisch-moralischer Hinsicht kompetent sein. In der jüngsten Vergangenheit haben KI-Anwendungen jedoch oftmals das Gegenteil bewiesen (Beispiel: Microsofts Chatbot Tay). Schließlich könnte die Unterstützung durch KI auch negative Folgen für unsere eigene Intelligenz haben. Geben wir vermehrt Denkaufgaben an den Computer ab, könnten wir selbst verdummen – so die Theorie.

Ohne Aufklärung gibt es auch keine Akzeptanz

Schnell wird klar: Damit Künstliche Intelligenz sowohl beim Kunden, als auch beim Mitarbeiter Akzeptanz erfährt, muss an vielen Stellen Aufklärungsarbeit und weitere Forschung betrieben werden. Wichtig ist hierbei, das Konzept der KI zu „entmystifizieren“, also nachvollziehbar zu machen, wie ein Algorithmus zu seiner Entscheidung gelangt ist. Diese Herausforderung wird bereits angegangen: Begreift man die Entwicklung der KI-Technologie in drei Wellen, beschäftigten sich die ersten zwei Wellen vor allem mit der reinen technischen Weiterentwicklung. Ziel der sogenannten “dritten Welle der KI“ wird es sein, Ergebnisse nachvollziehbar machen zu können. Zum Beispiel, wie ein Algorithmus über die Analyse tausender Daten und Beziehungen zu genau einem Ergebnis kommt. Zum heutigen Stand ist beispielsweise auch noch nicht einsehbar, was genau in einem Neuronalen Netz passiert – oft spricht man hier von einer Black Box.

Sowohl für Kunden, als auch für Mitarbeiter, die mit KI-Anwendungen in Kontakt kommen, gilt jedoch: Je mehr Transparenz gewährleistet wird, und je mehr Informationen zur Verfügung gestellt werden, desto mehr Akzeptanz erfährt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Anwendung. Da dies allerdings - Stand jetzt - eher selten geschieht, ist die Einstellung bezüglich KI noch sehr gespalten.

3. Vorsichtig positiv: Die Einstellung von Mitarbeitern zu KI

Zumindest über die Auswirkungen der Technologie ist man sich einig: Das Aufkommen von KI bedeutet einen großen Wandel und steht beim Großteil der Unternehmen bereits auf der Agenda: Laut einer Adesso-Studie sind 87% der Unternehmensentscheider der Auffassung, KI bedeute einen klaren Wettbewerbsvorteil. Bei 48% der Befragten ist der Einsatz von KI-Anwendungen für die nächsten drei Jahre geplant – kein anderes Thema kam auf ähnlich hohe Werte. Doch wie stehen die Mitarbeiter diesen Plänen gegenüber?

Auch wenn viele Berichterstattungen den Wegfall tausender Arbeitsplätze prognostizieren, sehen Mitarbeiter im Kundenservice die neue Technologie überraschend positiv: 88% aller Arbeitnehmer der Branche freut sich auf den Einsatz von KI. Interessant sind vor allem die Beweggründe: KI erledigt einfache, wiederkehrende Störungsfälle automatisiert und schnell. So haben menschliche Servicemitarbeiter mehr Zeit für komplexere Anliegen, bei denen sie lediglich von der KI unterstützt werden. KI bringt also neben effizienterem Arbeiten und optimierten Geschäftsprozessen vor allem die Möglichkeit für Servicemitarbeiter, stärker mit Menschen interagieren zu können. In anderen Bereichen wie Gastronomie, Human Resources oder der Fertigung stehen Mitarbeiter laut der Genesys-Studie neuen Technologie jedoch äußerst kritisch gegenüber. Hier sind die Beweggründe vor allem der Wegfall von Arbeitsplätzen und fehlende Empathie auf Seiten der KI. Insgesamt sehen dennoch 80% der Beschäftigten in Deutschland ihren Arbeitsplatz nicht durch KI gefährdet.

Drei Rahmenbedingungen für Akzeptanz

Will man Künstliche Intelligenz jedoch im eigenen Unternehmen implementieren, reicht eine positive Grundstimmung gegenüber der Technologie nicht aus. Vielmehr müssen von Anfang an auch wichtige Rahmenbedingungen gegeben sein.

  • ZEIT: Statt KI über Nacht einzuführen, sollte man Mitarbeitern ausreichend Zeit geben, sich an das Zusammenspiel mit Künstlicher Intelligenz zu gewöhnen. Schulungen und Zeit zur Eingewöhnung mindern frustrierende Erlebnisse und führen zudem vor Augen, wo die Vorteile von KI liegen.
  • INFORMATION: Unwissenheit führt immer zu Angst und Ablehnung. Genau aus diesem Grund sind KI-Konzepte mit den Mitarbeitern vorab abzuklären. Dies ist in zweifacher Hinsicht wichtig: Zum einen verlieren informierte Arbeitnehmer ihre Hemmungen, können die Grenzen der Technologie einschätzen und Vorschläge zur Verbesserung machen. Zum anderen stehen Mitarbeiter einer solchen neuen Technologie viel aufgeschlossener gegenüber, wenn sie verstehen, dass sie dadurch nicht überflüssig werden.
  • SINN: Denn wenn beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz vor allem die Kunden im Mittelpunkt stehen, werden Servicemitarbeiter keineswegs überflüssig. Vielmehr bekommt ihre Arbeit einen ganz neuen Sinn, den es auch zu vermitteln gilt. Statt stupiden Wiederholungsarbeiten müssen sie nun vor allem komplexere Anfragen in persönlichem Kontakt bearbeiten. Beim Kundenkontakt werden nun menschliche Fähigkeiten benötigt, die die KI nicht aufbringen kann: Kreativität, zwischenmenschliche Kommunikation und Empathie.

Im Kundenservice sehen Unternehmen die Chancen der neuen Technologie also vor allem im Bereich der Kundenbindung und des Kundenerlebnisses. Will man jedoch einen Mehrwert für die Kunden schaffen, muss man auch deren Einstellung zum Thema Künstliche Intelligenz betrachten. Die Meinung der Anwender könnte nämlich zu einem Stolperstein werden, wie Zahlen der oben bereits erwähnten Adesso-Studie belegen: Während Unternehmen der festen Überzeugung sind, Kunden würden diverse KI-Leistungen gerne in Anspruch nehmen (84, bzw. 76%), teilt nur ein Bruchteil der Kunden selbst diese Auffassung (38, bzw. 30%).

4. Noch skeptisch: Die Einstellung von Kunden zu KI

Omni-Channel Kundenservice
Mehrere Support-Kanäle (Telefon,
Self-Service, Chatbot, ...) sind nutzbar
Informationen des Kunden liegen zentral in der Wissensbasis ab
Wechsel zwischen den verschiedenen Support-Kanälen jederzeit möglich

Schon die allgemeine Digitalisierung des Kundenservices wird von Kunden rückblickend skeptisch betrachtet: Auf Nachfrage der Deutschen Gesellschaft für Qualität e.V. gaben 59% an, dass die Digitalisierung den Kundenservice grundlegend, jedoch nicht nur zum Positiven verändert hat. Neue Technologien werden dennoch nicht kategorisch abgelehnt – im Gegenteil: 41% sind sogar der Meinung, dass Unternehmen zu wenig in Technologie investieren. Das größte Problem ist der fehlende persönliche Kontakt: 58% kritisieren die fehlende direkte Erreichbarkeit des Kundenservices. So paradox es klingt – hier kann eine KI Abhilfe schaffen. Über Entlastung der Servicemitarbeiter und über einen Omni-Channel-Ansatz.

Allgemein bewegt sich das Thema KI im Kundenservice in einem komplexen Spannungsfeld. Der Einsatz neuer digitaler Hilfsmittel wird zwar begrüßt, jedoch bei Weitem noch nicht flächendeckend genutzt. Große Unterschiede im Nutzerverhalten innerhalb der verschiedenen Altersgruppen lassen sich zumindest auf eine Erkenntnis herunterbrechen: Der Kunde will auf eine Vielzahl an Service-Kanälen zurückgreifen können – laut einer E.ON-Umfrage sind das 81%. Wiederum kann Omni-Channel Abhilfe schaffen. Die gespaltene Zielgruppe – aufgeteilt in Innovatoren und Nachzügler – bringt jedoch auch noch andere Anforderungen mit sich.

Bei vielen Kunden entsteht eine Nutzungsbarriere nämlich schlicht und einfach durch fehlendes Wissen: Aufgabe der Unternehmen ist folglich, die Technologie beim Einsatz verständlich zu erklären und zu vermitteln. In diesem Zug hilft es, die Rolle der Künstlichen Intelligenz klar zu kommunizieren: Solange KI noch keine menschenähnlichen Eigenschaften wie Empathie aufweist, wird sie ausschließlich als Ergänzung zum Servicemitarbeiter eingesetzt. Diese Aufklärung ist freilich einfacher gesagt als getan. Viele Nutzer haben noch eine völlig falsche Vorstellung von Künstlicher Intelligenz und den damit verbundenen Termini.

Günstige Ausgangsbedingungen

Dennoch sind die Ausgangsbedingungen günstig, um Künstliche Intelligenz zu implementieren: Nach einer Studie des Capgemini Research Institutes steigt die Akzeptanz von Sprachassistenten und Chatbots langsam an. Und Next Media Hamburg konnte Mitte August 2019 feststellen, dass die Bereitschaft, mit KI zu kommunizieren innerhalb von einem Jahr um 25 Prozentpunkte auf 83% gestiegen ist. Gleichzeitig wünschen sich 77% eine Kennzeichnung von KI-Anwendungen und sprechen sich gegen die “Vermenschlichung“ von KI aus. Eine interessante Erkenntnis lässt sich auch aus einer Untersuchung der ZHAW School of Management and Law aus Winterthur, Schweiz ableiten: Die Kundenzufriedenheit steigt demnach mit moderater Automatisierung, sinkt jedoch stark bei zu hohen Automatisierungsgraden.

 

>> Die Kundenzufriedenheit steigt bei moderater Automatisierung, fällt jedoch stark bei zu hohen Automatisierungsgraden <<

Erkenntnis der Untersuchung Kundennutzen durch digitale Transformation

 

Wiederum heißt gelungene Implementierung also Kombination von KI und Mensch, Kennzeichnung, Transparenz und nicht zuletzt Aufklärung. Bedenken bezüglich KI erwachsen vor allem aus dem mangelnden Verständnis, der medialen Berichterstattung, dem Misstrauen gegenüber der Technik, der Angst vor Datenspionage, vor Hackerangriffen und vor finanziellen Schäden. Will man dafür sorgen, dass Künstliche Intelligenz flächendeckend akzeptiert wird, sollte man außerdem die drei Hauptprobleme der Technologie kennen und wissen, wie man mit ihnen umgeht. Diese sind namentlich (1) fehlende Ethik, (2) fehlende Transparenz und (3) fehlendes Wissen.

5. Die 3 großen KI-Probleme - und potenzielle Lösungen

5.1. Ethik und Moral von KI

Böser Chatbot

Exemplarisch für das Ethik-Problem von Künstlicher Intelligenz steht der
Chatbot Tay: Als ihn Microsoft im März 2016 auf Twitter losließ, um die Sprache der Jugend zu lernen, musste er 24 Stunden und unzählige rassistische Tweets später wieder vom Netz genommen werden. Ähnliche Beispiele gibt es zuhauf. Mark Surman, Direktor der Mozilla-Stiftung, macht sich deswegen für ein verpflichtendes Ethiktraining für Computer-Spezialisten stark, weil Künstliche Intelligenz sonst ein Treiber für Diskriminierung, Verbreitung von Falschnachrichten und Propaganda sein könnte.

Und natürlich spielt dies auch bei der Akzeptanz auf Kundenseite eine große Rolle. Ohnehin zweifeln Befragte einer Studie von Pegasystems Inc. an der moralischen Gesinnung von Unternehmen – 65% glauben nicht, dass Unternehmen neue Technologien nutzen, um vertrauensvoll mit ihnen zu kommunizieren. Dazu kommen Bedenken an der moralischen Entscheidungsfindung von KI: Mehr als die Hälfte gab an, dass KI die Entscheidungsfindung verzerre und nur 12% sprechen KI die Fähigkeit zu, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können. Provokant gesagt: KI hat ihrer Auffassung nach weder Moral noch Ethik.

Dass Ethik in diesem Zusammenhang jedoch auch zum Erfolgsfaktor werden kann, belegen Zahlen einer Studie des Capgemini Research Institutes: 62% der befragten Verbraucher vertrauen Unternehmen mehr, wenn KI-basierte Interaktionen als ethisch wahrgenommen werden – und würden diese positiven Erfahrungen auch mit Freunden und Familie teilen. Gleichzeitig hätten ethische Probleme beim KI-Kontakt jedoch folgenschwere Probleme: Ein Drittel der Befragten würde den Kontakt zum Unternehmen sofort abbrechen.

Wo entstehen ethische Probleme?

Ethische und moralische Fauxpas entstehen in der Kluft zwischen Theorie und Praxis. Eine KI-Anwendung kann immer nur so gut sein wie die zugrundeliegenden Daten, denn sie übernimmt Informationen ohne menschliche Reflexion. Beinhaltet also ein Datensatz eine ungleiche Gewichtung von Mann und Frau, wird sie von der KI übernommen. Im Grunde genommen spiegelt die Anwendung dann oftmals nur eigene Vorurteile und Ungleichheiten gnadenlos wider. Der Unterschied: Ein Mensch gleicht Gegebenheiten stets mit bestehenden Moral- und Empathie-Grundsätzen ab. Eine KI kann dies (noch) nicht. Einer ihrer größten Schwachpunkte. Dennoch zeigt obiges Beispiel, dass KI auch Ungerechtigkeiten und neue ethische Fragestellungen in den Fokus rücken könnte.

Die Herausforderung ist also, die Empathie-Lücke zwischen Mensch und KI zu schließen. Die Technologie muss auf der Basis moralischer Grundsätze handeln und auf diese Weise menschlicher werden. KI braucht soziale Kompetenzen, denn: Ethik entscheidet über Vertrauen. In diese Richtung forscht Prof. Kristian Kersting am Centre for Cognitive Science an der TU Darmstadt. Sein Projekt will einer Künstlichen Intelligenz moralische Kategorien beibringen. Bis auf diesem Gebiet ein Durchbruch gelingt, könnte es jedoch noch eine Weile dauern. Was können Unternehmen heute bereits tun, um fehlender Empathie vorzubeugen?

  • Menschlicher Kontakt: Der Mensch ist Hüter von Empathie und Moral. Bei komplexen Situationen, die Abstraktion und Reflexion erfordern, sollte deshalb stets die Möglichkeit zum Kontakt mit einem menschlichen Mitarbeiter bestehen. Hier wird auch klar, wieso Künstliche Intelligenz (im Service) vorerst nur Ergänzung zum Menschen ist – und keinesfalls seine Ablösung.
  • Testprozesse und Reflexion: Um eventuelle Fehler zu vermeiden, braucht es zudem Testprozesse, die die Ergebnisse der KI-Systeme durchgehend prüfen und entstehende Probleme melden. Da sich die KI-Anwendung mit den Daten weiterentwickelt, sollten auch diese stets auf Ungleichheiten überprüft werden.
  • Forschung verfolgen: Das Problem der fehlenden Empathie und Moral steht derzeit stark im Fokus der KI-Forschung. Hier bietet es sich an, einschlägige Journale oder Blogs zu verfolgen.

5.2. Fehlende Transparenz

Transparenz KI

 

Das Prinzip der Künstlichen Intelligenz ist manchmal gruselig: Trainiert man eine KI mit hunderten Fotos von Pflanzen, kann sie diese irgendwann automatisiert erkennen und zuordnen. Das Ergebnis ist dann zwar überprüfbar, jedoch kann niemand genau sagen, wie genau die KI zum Ergebnis gekommen ist. In diesem Beispiel wäre das wohl relativ unproblematisch, doch man stelle sich vor, eine KI entscheidet im Krankenhaus über Leben und Tod. Dann wird fehlende Transparenz zum Problem. Bei komplexen KI-Anwendungen kann im Nachhinein oft aufgrund der Fülle von Parametern und Bedingungen nicht mehr nachvollzogen werden, wie das System zu bestimmten Annahmen gekommen ist.

Natürlich trägt eine solche Black Box nicht unbedingt zur Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz bei. Sie schürt viel eher weitere Bedenken und Ressentiments – und entfremdet KI zusätzlich. Voraussetzung für den Erfolg ist jedoch Transparenz und damit einhergehend Manipulationssicherheit, Vorhersagbarkeit und Vertrauen. Auch Google-Chef Sundar Pichai ist dieser Auffassung: „Solange wir diese Erklärbarkeit nicht haben, können wir für diese Bereiche kein maschinelles Lernen einsetzen.“

KI so anschaulich wie möglich machen

Die Lösung dieses Problems ist schlicht und einfach, wichtige Anwendungen ausschließlich mit transparenter KI zu realisieren. Algorithmen sollten allgemein so anschaulich und nachvollziehbar wie möglich dargestellt werden. Gelingt dies nicht, sollten zumindest die zugrundeliegenden Daten offengelegt werden. Welche Möglichkeiten zum Missbrauch und welch schlechten Einfluss fehlende Transparenz auch auf eigene Mitarbeiter haben kann, zeigt eine Studie über Uber-Fahrer: Fahrer waren zunehmend frustriert, weil ihnen keine Informationen zum Algorithmus gegeben wurde, der ihre Routen festlegte. Im Nachhinein wurde festgestellt, dass die KI Fahrer sogar unterbewusst zu längeren Arbeitszeiten manipuliert hatte. Eine Haupterkenntnis der Studie war deshalb: „(…) the more sophisticated these algorithms get, the more opaque [dt.: undurchsichtig; N.G.] they are, even to their creators.“

5.3. Fehlendes Wissen und Misstrauen gegenüber KI

KI Weltherrschaft

Zu guter Letzt ist ein Problem Künstlicher Intelligenz fehlendes Wissen seitens der Anwender. Obwohl heute eigentlich nur die sogenannte Schwache KI im Einsatz ist, kursiert bereits das Horrorszenario von der Weltherrschaft der Maschinen - angefeuert von Science-Fiction-Filmen und -Romanen. Diese Unsicherheit hemmt die Nutzung und die Unterstützung für neue Projekte. Die Funktionsweise Künstlicher Intelligenz zu erklären wäre hierbei jedoch nur ein erster Schritt, denn die Unkenntnis reicht noch viel tiefer.

So offenbart eine Studie des ECC Köln, dass ein Großteil der Kunden selbst nicht Bescheid weiß, welche Daten sie preisgeben oder welche Dienste sie bereits nutzen. So behaupten beispielsweise 63% der Befragten, noch nie persönliche Kontakte freigegeben zu haben, während 95% von ihnen regelmäßig Whatsapp nutzen. Das allein zeigt schon: Will KI akzeptiert werden, müssen auch die Rahmenbedingungen entsprechend erklärt und transparent gemacht werden.

Versteckte Algorithmen überall

Gleichzeitig ist in den meisten Anwendungsfällen jedoch gar nicht erst ersichtlich, dass Künstliche Intelligenz im Einsatz ist. Allein Google hat rund 20.000 KI-Programme im Einsatz. Google Lens erkennt beispielsweise automatisch mithilfe von KI-Algorithmen über 1 Milliarde Objekte auf Fotos. Google “Auto Ads“ ist eine Künstliche Intelligenz, die automatisiert Werbeanzeigen platziert. Im Hintergrund unserer Online-Aktivitäten laufen zahlreiche Algorithmen ab, die Produkte empfehlen, über Kreditwürdigkeit entscheiden oder unsere Jobchancen beeinflussen. Zurecht wird also aus vielen Richtungen gefordert, KI-Algorithmen stärker zu hinterfragen. 76% der Teilnehmer einer weiteren Capgemini-Umfrage sprechen sich zudem für eine Regulation von KI aus. Und trotz fehlendem Wissen auf der einen Seite sind diese Rufe nach Kontrolle durchaus nachvollziehbar, solange ein Geheimnis daraus gemacht wird, wo KI zum Einsatz kommt.

Unternehmen sollten also nicht nur selbst dafür sorgen, dass ihre Kunden über die Technologie informiert sind. Vielmehr muss offengelegt werden, welche Daten verwendet und gesammelt werden und wo die KI überhaupt im Einsatz ist. Fernab von DSVGO-Richtlinien muss der Fokus hierbei darauf liegen, den Nutzern die Informationen anschaulich und verständlich zur Verfügung zu stellen. Schließlich liegt es im Interesse der Unternehmen, dass ihre Anwendungen auch Anklang finden und nicht noch weiter zu Ängsten und Skepsis beitragen.

6. Fazit: Wie man die Akzeptanz von KI erhöht

Die Ausgangsbedingungen für den Einsatz von KI im Kundenservice sind größtenteils günstig: Mitarbeiter sehen die Vorteile der Technologie, während Kunden das Zusammenspiel aus automatisierter und persönlicher Serviceleistung fordern und nutzen. Gleichzeitig gibt es viele Faktoren, die beiden Gruppen Argumente gegen den Einsatz von KI liefern. Allgemeine Regeln und Prinzipien für den Einsatz von KI sind in der Entstehung und auch notwendig – so viel ist klar.

Doch schon Unternehmen selbst können Maßnahmen ergreifen, um die Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz zu erhöhen:

Akzeptanz bei Mitarbeitern erhöhen Akzeptanz bei Kunden erhöhen
  • Vorab eingehend informieren
  • Zeit zur Eingewöhnung geben
  • Sinn des Einsatzes von KI erklären – v.a., dass der Mitarbeiter nicht überflüssig wird
  • Darstellen, wie KI die Arbeit der Mitarbeiter verändern/verbessern kann
  • Klar kenntlich machen, wo KI eingesetzt wird
  • Informieren, welche Daten gesammelt/verwendet werden
  • Technologie anschaulich erklären
  • Menschliche Kontaktmöglichkeit stets beibehalten


Nichtsdestotrotz lösen sich die drei Probleme Ethik, Transparenz und fehlendes Wissen natürlich nicht über Nacht. Bis Künstliche Intelligenz wirklich flächendeckend akzeptiert wird, braucht es noch Zeit und weitere Forschung auf diesen Gebieten. Die Technologie wirft zweifelsohne neue und interessante ethische Fragestellungen auf – und dies, obwohl sie bisher eigentlich nur Datensätze auswertet. Bei all der berechtigten Kritik sollte man deswegen nicht vergessen: Sprechen wir von einem Ethik-Problem der KI, sprechen wir auch von einem Ethik-Problem des Menschen. Oder in den Worten von Prof. Kristian Kersting: „Alle existierenden KI-Studien halten uns selbst einen Spiegel vor. Sie sagen viel mehr über uns Menschen aus als über die Maschine selbst.“

>> Alle existierenden KI-Studien halten uns selbst einen Spiegel vor. Sie sagen viel mehr über uns Menschen aus als über die Maschine selbst. <<

Prof. Kristian Kersting (TU Darmstadt)

 

Topics: Künstliche Intelligenz, AI, Kundenservice, KI, Machine Learrning, Bot, Big Data, ML, customer service, Artificial Intelligence, Ethics, Chat Bot, Algorithmus, Daten, Algorithm, Technologie, machine-learning

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